Schweiz – Bundesverwaltungsgericht, 17. Mai 2016, D-2925/2016

ECRE is currently working on redeveloping the website. Visitors can still access the database and search for asylum-related judgments up until 2021.

Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
17-05-2017
Citation:
D-2925/2016
Court Name:
Bundesverwaltungsgericht
National / Other Legislative Provisions:
Switzerland - - Art. 31a (1) Asylum Act
Switzerland - - Art. 108 (4) Asylum Act
Switzerland - - Art 76a Residence Act
Printer-friendly versionPrinter-friendly versionPDF versionPDF version
Headnote: 

An einen Rechtsmittelverzicht betreffend der Haftbeschwerde sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere wird eine qualifizierte rechtliche Vertretung im Zeitpunkt der Verzichtserklärung vorausgesetzt.

Die Gefahr des Untertauchens einer Person i.S.v. Art. 76a Abs. 1 AuG darf nicht allein aufgrund der Verfahrenszuständigkeit eines anderen Staates bejaht werden.

 

Facts: 

Der Beschwerdeführer ersuchte am 9. März 2016 in der Schweiz Asyl. Nach einer Anhörung lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Asylgesuch in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG ab und verfügte die Wegweisung nach Belgien. Es ordnete außerdem gemäß Art. 76a AuG die Ausschaffungshaft des Beschwerdeführers für die Dauer von höchstens sechs Wochen an.

Der Beschwerdeführer ersuchte das Bundesverwaltungsgericht daraufhin um Überprüfung der Haft und umgehende Haftentlassung.

Am Tag der Eröffnung des Nichteintretens- und Wegweisungsentscheides unterschrieb der Beschwerdeführer außerdem ein vorgedrucktes Formular, in welchem er mit seiner Unterschrift erklärte auf sein Beschwerderecht zu verzichten. 

 

Decision & Reasoning: 

Die Beschwerde wurde gutgeheißen. Das Gericht ordnete die sofortige Haftentlassung an.

Es stellte zunächst fest, dass der Rechtsmittelverzicht betreffend der Haftbeschwerde unbeachtlich ist. An einen solchen Verzicht von prozessualen Rechten sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere wird eine qualifizierte rechtliche Vertretung im Zeitpunkt der Verzichtserklärung vorausgesetzt.

Der Richter erklärte dann, dass sich die Behandlungsfrist für die erstmalige richterliche Überprüfung der Haftanordnung nach Art. 109 Abs. 3 AsylG richtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat demnach unverzüglich auf Grund der Akten zu entscheiden.

Das Gericht erläuterte, dass gemäß Art. 28 Abs. 4 Dublin-III-VO i.V.m. Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtline) der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der unentgeltlichen Rechtsberatung schriftlich hinzuweisen war. Die Rechtsfolge der Säumnis kann nach den Ausführungen des Gerichts allerdings offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin gutzuheißen ist.

Gemäß Art. 76a Abs. 1 AuG wird für die Anordnung der Haft unter anderem vorausgesetzt, dass konkrete Anzeichen für eine Entziehung der Person von der Wegweisung vorliegen. Die Tatsache, dass sich eine Person in einem Dublin-Verfahren befindet, ist dabei gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-VO für sich allein kein zulässiger Grund zur Inhaftierung einer Person. Die Gefahr des Untertauchens einer Person darf also nicht allein aufgrund der Verfahrenszuständigkeit eines anderen Staates bejaht werden.

Insbesondere liegen im vorliegenden Fall auch Anhaltspunkte gegen eine Fluchtgefahr vor. Der Beschwerdeführer hat ausführlich über seinen Reiseweg Auskunft gegeben und erklärte sich einer Überstellung nach Belgien nicht widersetzen zu wollen. Außerdem richtet sich die Beschwerde lediglich gegen Inhaftierung, nicht gegen den negativen Asylbescheid. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine Fluchtgefahr vorliegend zu verneinen ist.

Die Haftbeschwerde ist mithin gutzuheißen.

Outcome: 

Die Beschwerde wurde gutgeheißen. Der Beschwerdeführer ist ohne jeden Verzug aus der Haft zu entlassen.

 

Observations/Comments: 

This case summary was written by Tim Drunkenmölle.

Case Law Cited: 

Switzerland - Federal Administrative Court D-2310/2016 (19th April 2016)

Switzerland - Federal Administrative Court D-2484/2016 (27th April 2015)