Germany - Federal Administrative Court, Decision 1 C 29/17, 19 April 2018

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Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
19-04-2018
Citation:
Federal Administrative Court, Decision 1 C 29/17, April 2018
Court Name:
Federal Administrative Court
National / Other Legislative Provisions:
Germany §§ 3
3a
3b
26
31 Abs. 3 S. 2
77 Abs.1 AsylG (Asylum Act version July 2017)
Germany §§ 31 Abs. 3
114 S. 1
137 Abs. 1 Nr. 1
134 Abs. 4
173 Abs. 1 VwGO (Code of Administrative Procedure)
Germany § 40 VwVfG (Administrative Procedure Act)
Germany §§ 25 Abs. 2
Abs. 3
27 Abs. 1
29 Abs. 3
30 Abs. 1
60 Abs. 5
Abs 8
§ 104 Abs. 13 AufenthG (Residence Act Version March 2018)
Germany § 557 Abs. 2 S. 3 ZPO (Code of Civil Procedure)
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Headnote: 
§ 104 Abs. 13 Satz 1 AufenthG hindert in aller Regel die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für das mit dem Ziel der Ermöglichung eines Familiennachzuges verfolgte Begehren eines subsidiär schutzberechtigten Ausländers, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, zusätzlich die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen. (Leitsatz Urteil)
Facts: 
Die Kläger sind eritreischer Nationalität, zugehörig zur Volksgruppe der Tigrinya und christlich-orthodox. Die Klägerin ist Mutter des 2015 in Deutschland geborenen Klägers. September 2015 reiste die Klägerin ins Bundesgebiet ein und stellte im Februar 2016 einen Asylantrag für sich und ihr Kind, weil sie zum einen illegal ausgereist ist und sich dem nationalen Dienst entzogen hat und andererseits ihr eritreischer Ehemann vom nationalen Dienst desertierte und geflüchtet ist. Das Amt gesteht den beiden Klägern den Status als subsidiär Schutzberechtigte zu. Der Asylantrag wird abgelehnt und eine Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten wurde nicht durchgeführt. Die Klägerin klagte vor dem Verwaltungsgericht auf Verpflichtung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebeverbots. Diese Klage wurde abgewiesen. In der dagegen eingelegten Revision rügte die Klägerin, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müsste, weil die Verfolgungsgründe der politischen Einstellung als auch der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Des Weiteren rügt sie die Nichtfeststellung des nationalen Abschiebeverbots, da sie sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis diesbezüglich besitze.
Decision & Reasoning: 
(1) Nach Ansicht des BVerwG kommt verletzt das VerwG kein Bundesrecht indem es weder der Klägerin noch dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkennt. Das VerwG habe richtigerweise entschieden, dass die Klägerin nicht wegen einer ihr zugeschriebenen oppositionellen politischen Haltung gem. § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG verfolgt werden würde, sondern aufgrund der Desertion bzw. aufgrund der Desertion ihres Mannes, um eventuell dessen Aufenthaltsort herauszufinden. Auch liege der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG nicht vor. Zunächst begründet weder die Zugehörigkeit zur Familie eines Deserteurs, die Gesamtheit der Familien eritreischer Deserteure, noch die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs eine solche Gruppe, da diese Gruppe auch zu inhomogen sei und kein gemeinsames Merkmal besitze. Auch sei dem VerwG kein Grund ersichtlich warum die Familie von der eritreischen Gesellschaft hierdurch als andersartig betrachtet werden würde, was weitere Voraussetzung wäre. Auch eine geschlechtsspezifische Verfolgung wegen Genitalverstümmelung ist nicht zu besorgen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass weitere Verfolgungshandlungen folgen werden. Dem Kläger wird die Flüchtlingseigenschaft bereits deshalb nicht zuerkannt, weil als Minderjähriger nach § 26 Abs. 2 AsylG eine Zuerkennung nur in Betracht kommt, wenn den Eltern bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Nach dem BVerwG erkennt das VerwG daher richtigerweise nur den Status als subsidiär Schutzberechtigte für die Kläger an. (2) Außerdem bleibt die Sprungrevision mangels Rechtsschutzbedürfnis ohne Erfolg bezüglich der Rüge, dass das Gericht das nationale Abschiebeverbot in Bezug auf Eritrea nicht geprüft hat. Die Klägerin rügte eine Verletzung der § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und der § 31 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO und § 40 VwVfG. Ein Rechtsschutzinteresse entfällt jedoch zum Beispiel dann, wenn der Erfolg im Gerichtsverfahren keinen rechtlichen Vorteil bringt, da sonst eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte vorläge. Im Asylrecht ergibt sich nach Grad des Schutzumfangs eine Abstufung der Streitgegenstände. So ist die Anerkennung als Asylberechtigter gleichrangig mit der Anerkennung als Flüchtling. Die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter ist Hilfsbegehren zum Hauptbegehren der Anerkennung als Flüchtling. Zwischen dem Anspruch auf Anerkennung von subsidiärem Schutz und dem Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebeverbots besteht kein Spezialitätsverhältnis, jedoch hat die Prüfung des subsidiären Schutzes Vorrang, sodass im Falle einer Zuerkennung die Feststellung eines nationalen Abschiebeverbots ausscheiden muss. Ein rechtlicher Vorteil ergibt sich gerade auch nicht aus der Tatsache, dass der Klägerin eventuell ein verbundener Regelanspruch aus § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG zustehen könnte aufgrund dessen sie Ihrem Ehemann ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Rahmen des Familiennachzugs vermitteln könnte nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e i.V.m. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Zum einen ist es schon zweifelhaft, ob neben dem Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 AufenthG überhaupt ein Anspruch aus § 25 Abs. 3 S. 1 bestehen kann. Des Weiteren schließe § 114 Abs. 13 S. 1 AufenthG, der den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzt, eine Erteilung aus. Zum einen unterscheidet der Wortlaut des § 114 Abs 13. S. 1 AufenthG nicht, ob der Inhaber eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 S. 1 neben einer solchen aus § 25 Abs. 2 S. 1 hat oder nicht. Auch systematisch finden sich in den anderen Absätzen keine Anzeichen, welche eine solche Vermutung zuließen. Dies deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Norm den Staat vor Überlastung zu schützen und den Kommunen Zeit und Planungssicherheit zu geben. Dieses Ziel würde konterkariert werden, wenn solche Menschen davon ausgenommen werden, welche auch einen Aufenthaltstitel aufgrund eines nationalen Abschiebestopps gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten haben.
Outcome: 
Die Sprungrevision hat keinen Erfolg.
Observations/Comments: 

This summary was drafted by Michael Spath, student at the Law Department of the University of Cologne.

Other sources cited: 
Zitierte Rechtsprechung des Mitgliedsstaats BVerwG, 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 BVerfG, Beschluss 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 961/86 BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Dezember 2012 - 2 BvR 2954/09 BVerwG, 19. August 1986 - 9 C 322.85 BVerwG, 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 BVerwG, 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 BVerwG, 24. Oktober 1995 - 9 C 3. BVerwG 26. Februar 2009 - 10 C 50.07 BVerwG Beschluss, 24. April 2017 - 1 B 22.17 BVerwG, Beschluss 2. November 1995 - 9 B 710.94 BVerwG, 27. April 1982 - 9 C 239. BVerwG, 2. Juli 1985 - 9 C 35.84 BVerwG, Urteil 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 BVerwG, Beschluss, 11. Oktober 1963 - 7 B 95.63 BVerwG, Beschluss, 28. August 1987 - 4 N 3.86 BVerwG, 28. April 1998 - 9 C 1.97 BVerwG, 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 BVerwG, 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 BVerwG, 27. April 2010 - 10 C 5.09 BVerwG, 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 BVerwG, 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 BVerwG, 27. April 2010 - 10 C 4. BVerwG, 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 BVerwG, 31. Januar 2013 - 10 C 15. BVerwG, 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 BVerwG, 24. Juni 2008 - 10 C 43.