Germany - Bundesverwaltungsgericht, 1 B 41.15, 23 Oktober 2015, 1 B 41.15

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Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
23-10-2015
Citation:
1 B 41.15
Court Name:
Bundesverwaltungsgericht
National / Other Legislative Provisions:
Germany - AsylvfG (Asylum Procedure Act) - § 27a
Germany - AsylVfG (Asylum Procedure Act) - § 34
Germany - AsylvfG (Asylum Procedure Act) - §34a
Germany - AsylvfG (Asylum Procedure Act) - § 71a
Germany - AufenthG (German Residence Act) - Article 59
Germany - AufenthG (German Residence Act) - Article 60
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Headnote: 

Die Vorschriften der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (“Richtlinie über gemeinsame Verfahren”) verbieten es nicht, dass ein Asylantrag in Deutschland geprüft wird, auch wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt wurde, sofern der Asylantrag in Deutschland vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurde.

Die Zulässigkeit eines Antrags, welcher vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurde, bestimmt sich nach der Richtlinie 2005/85/EC des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (“Asylverfahrensrichtlinie”). Nach Artikel 25 der Asylverfahrensrichtlinie dürfen Mitgliedsstaaten einen Asylantrag nur dann als unzulässig behandeln, wenn der Antragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat bereits als Flüchtling anerkannt ist, jedoch nicht, wenn dem Antragsteller in dem anderen Mitgliedsstaat subsidiärer Schutz gewährt wurde.  

Facts: 

Der Kläger, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, reiste im August 2013 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte Asylantrag. Der Familie war zuvor subsidiärer Schutz in Ungarn gewährt worden. Am 13. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge („Bundesamt“) den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Antragsstellers an.

Am 28. Juli 2014 gab das Verwaltungsgericht Stuttgart der gegen die Entscheidung des Bundesamtes eingelegten Klage des Antragsstellers statt.

Am 28. April 2015 erließ das Bundesamt einen als „Ergänzungsbescheid“ Bescheid bezeichneten Bescheid, mit dem die ursprüngliche Abschiebungsanordnung aufgehoben und in die Androhung für eine Abschiebung nach Ungarn geändert werden sollte.

Das Bundesamt legte darüber hinaus Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim ein. Der Antragssteller schloss sich der Berufung des Bundesamtes im Wege der Anschlussberufung an. Mit Urteil vom 29. April 2015 entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, dass sich die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes erledigt hat, weil das Bundesamt zwischenzeitlich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht habe und damit Ungarns vorherige Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags nicht länger bestand.  Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim führte weiter aus, dass der Umstand, dass dem Antragssteller zuvor subsidiärer Schutz in Ungarn gewährt worden war, nicht das Recht des Antragsstellers auf Prüfung seines Asylantrags in Deutschland ausschließt (namentlich gemäß § 71a Asylverfahrensgesetz).

Die Revision des Bundesamtes gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim beim Bundesverwaltungsgericht (das “Gericht”) wurde nicht zugelassen. Das Bundesamt legte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde ein.

 

Decision & Reasoning: 

Das Gericht lehnte die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig ab. Das Bundesamt habe es weder geschafft darzulegen, dass eine Divergenz der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zur Rechtsprechung des Gerichts vorliegt, noch, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung und deswegen zur Revision zuzulassen ist.      

Das Gericht widmete sich zunächst der Frage, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim eine Divergenz zur Rechtsprechung des Gerichts begründete; das Bundesamt hatte insofern geltend gemacht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim stelle eine Abweichung von der Entscheidung des Gerichts vom 17. Juni 2014 (10 C 7.13) (die „Frühere Entscheidung“) dar. Das Gericht vertrat hierzu die Auffassung, dass eine Divergenz hier nicht vorlag. In dem für die Frühere Entscheidung relevanten Sachverhalt sei dem Antragsteller in dem anderen Mitgliedsstaat nämlich Flüchtlingsstatus zuerkannt worden, wohingegen er im vorliegenden Fall nur subsidiären Schutz erhalten hatte. Das Gericht führte weiter aus, dass die Frühere Entscheidung keinerlei generelle Aussage derart treffe, dass die Gewährung jedweden Schutzes in einem anderen Mitgliedsstaat Deutschlands Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags ausschließt.  

Das Gericht wendete sich sodann kurz dem Vortrag des Bundesamtes zu, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim stehe in Gegensatz zu Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshof München. Es wies dies mit dem Argument zurück, dass es in den dort relevanten Fällen um das Ersuchen subsidiären Schutzes in Deutschland ging, nachdem der Antragssteller zuvor subsidiären Schutz in einem anderen Mitgliedsstaat erhalten hatte.

Das Gericht prüfte sodann, ob der Einwand des Bundesamtes verfing, dass seine Ablehnung der Prüfung des Asylantrags im Einklang mit Artikel 33 Absatz 1, Buchstabe a der Richtlinie über gemeinsame Verfahren steht. Nach dieser Vorschrift darf ein Mitgliedsstaat unter Beachtung anwendbarer Dublin-Vorschriften einen Antrag auf internationalen Schutz ablehnen, wenn internationaler Schutz bereits in einem anderen Mitgliedsstaat gewährt wurde. Das Gericht wies dies unter Hinweis auf die Übergangsvorschrift in Artikel 52 der Richtlinie über gemeinsame Verfahren zurück. Nach dieser Vorschrift finde auf Anträge, welche vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurden, die Asylverfahrensrichtlinie Anwendung. Deren Artikel 25 sehe aber vor, dass ein Mitgliedsstaat einen Antrag auf Schutz nur dann als unzulässig abweisen kann, wenn dem Antragssteller in einem anderen Mitgliedsstaat der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde (im Gegensatz zu Artikel 33 der Richtlinie über gemeinsame Verfahren, welcher insofern jede Form international Schutzes in Bezug nimmt).  Da vorliegend die Asylverfahrensrichtlinie und nicht die Richtlinie über gemeinsame Verfahren anwendbar sei, habe das Bundesamt den Asylantrag nicht unter Verweis auf die Gewährung subsidiären Schutzes in Ungarn als unzulässig zurückweisen dürfen. 

Outcome: 

Die Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Subsequent Proceedings : 

Vorinstanzen:

VG Stuttgart vom 8. Juli 2014 – VG A 3 K 5150/13 (Erstinstanz) – Aufhebung der Abschiebungsanordnung.

VGH Mannheim vom 29. April 2015 - VGH A 11 S 57/15 (Zweitinstanz). Verwaltungsgerichtshof hielt das Urteil des VG Stuttgart aufrecht.

Observations/Comments: 

This case summary was written by Linklaters LLP. 

This case summary was proof read by Julia Oberndorfer, Leibniz Universität Hannover.

Case Law Cited: 

Germany - Higher Regional Court of Munich (Verwaltungsgerichtshof München), Beschluss dated 18 June 2015 – 20 B 15.300117

Germany - Higher Regional Court of Munich (Verwaltungsgerichtshof München), Beschluss dated 16 June 2015 – 20 B 15.50058

Germany - Administrative Court of Stuttgart (Verwaltungsgericht Stuttgart) of Ansbach, Urteil dated 8 July 2014 – VG A 3 11 K 5150 /13

Higher Administrative Court Baden-Wuerttemberg, 29 April 2015 – A 11 S 57/15

Federal Administrative Court (Bundesverwaltungsgericht), Urteil dated 17.06.2014– 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29