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Home ›Deutschland - Verwaltungsgericht Stuttgart, 26. Juni 2006, A 11 K 10841
European Union Law > EN - Qualification Directive, Directive 2004/83/EC of 29 April 2004 > Art 7
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Die Gruppe der homosexuellen Frauen im Iran hat eine detulich abgrenzbare Identität, weil sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Art. 10 Abs. 1 (d) Qualifikationsrichtlinie, QRL).
Die Wahrscheinlichkeit der Verfolgung einer homosexuellen Beziehung unter Frauen im Iran bei Bekanntwerden ist sehr hoch, weil derartiges ein Tabubruch ist, schlimmer noch als unter Männern.
Die 27-jährige Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie beantragte im März 2003 die Anerkennung als Asylberechtigte und die Flüchtlingsanerkennung. Sie begründete diese Anträge wie folgt: Sie sei eine lesbische Frau, fühle sich als Mann und werde auch dafür gehalten, weshalb sie nie einen Tschador getragen habe. Als sie etwa drei Monate vor ihrer Ausreise erkannt wurde, habe man sie mit einem Tschador versehen, in die Frauenabteilung gebracht, beschimpft und verhöhnt, bis sie am nächsten Tag durch ihren Vater gegen Hinterlegung einer Bürgschaft für ihr Haus freigekommen sei. Sie habe auch Porbleme mit dem Mann einer Nachbarin gehabt, mit der sie sich angefreundet habe.
Die Klägerin hat durch ihre maskuline Erscheinung und die lebendige Schilderung ihrer Identität mit den daraus folgenden Problemen und Gefahren im Iran glaubhaft gemacht, dass sie zu einer Gruppe gehört, deren Mitglieder Merkmale teilen, die so bedeutsam für die Identität sind, dass sie nicht gezwungen werden sollten, auf sie zu verzichten, und dass die Gruppe im Iran eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Art. 10 Abs. 1 (d) S. 1 QRL). Ihre homosexuelle Ausrichtung beschränkt sich nicht etwa auf Handlungen, die nach nationalem Recht von Mitgliedstaaten der Europäischen Union als strafbar gelten (Art. 10 Abs. 1 (d) S. 3 QRL), sondern ist schicksalhafter Bestandteil ihrer Gesamtpersönlichkeit, die zudem durch das starke Bedürfnis geprägt ist, sich wie ein Mann zu kleiden und aufzutreten, insbesondere keinen Tschador zu tragen, wenngleich sie kein Bedürfnis nach einer Geschlechtsumwandlung habe. Nach den Erkenntnissen des Gerichts ist die Wahrscheinlichkeit der Verfolgung einer homosexuellen Beziehung unter Frauen im Iran bei Bekanntwerden sehr hoch, weil derartiges ein Tabubruch ist, schlimmer noch als unter Männern. Bei der Klägerin ist eine solche Verfolgung umso wahrscheinlicher, weil sie äußerlich zwischen den Geschlechtern sich bewegend auffällt und weder als unverheirateter "Mann" noch als maskuline Frau mit einer anderen Frau zusammen geduldet wird. Damit ist sie sogar stärker gefährdet als ein homosexueller Mann. Die unmenschliche oder erniedrigende Strafe (Art. 9 Abs. 1 (a) QRL, Art. 15 Abs. 2 und Art. 3 EMRK) und unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Art. 9 Abs. 2 (c) QRL) soll homosexuell Veranlagte auch in einer asylrechtlich erheblichen Eigenschaft treffen und nicht nur eine Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit ahnden, wie schon die schlechterdings unangemessenen, unabänderlichen religiösen Hadd-Strafen zeigen.
Die Behörde wurde verpflichtet, die Klägerin als Flüchtling anzuerkennen.
Nicht bekannt.
Germany - High Administrative Court Baden-Württemberg, 12 May 2005, A 3 S 358/05 -