Deutschland - Verwaltungsgericht Potsdam, 6 L 87/16.A 04 Februar 2016, 6 L 87/16.A

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Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
04-02-2016
Citation:
Case no. 6 L 87/16.A
Court Name:
Verwaltungsgericht Potsdam
National / Other Legislative Provisions:
Germany - § 123 (1) sentence 1 VwGO (Code of Administrative Court Procedure)
Germany - § 88 VwGO (Code of Administrative Court Procedure)
Germany - § 80 (5) VwGO (Code of Administrative Court Procedure)
Germany - § 43 (1) VwGO (Code of Administrative Court Procedure)
Germany - § 80 AsylVfG (Asylum Procedure Act)
Germany - § 34a AsylVfG 1992 (Asylum Procedure Act)
Germany - § 43 Abs 2 VwVfG (Administrative Procedure Act)
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Headnote: 

Eine Gerichtsentscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen eine Abschiebungsanordnung hat keine Auswirkungen auf den Ablauf der 6-Monatsfrist nach Art. 29 (2) Dublin-III-Verordnung.

Nach deutschem Recht verliert eine Abschiebungsanordnung nach Ablauf der 6-Monatsfrist automatisch ihre Wirksamkeit.

Facts: 

Am 16. Juli 2015 stellte die Bundesrepublik Deutschland bei der Republik Italien ein Wiederaufnahmegesuch in Bezug auf den betreffenden Antragssteller. Italien reagierte auf das Gesuch nicht. Am 31. Juli 2015 wurde deshalb die Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme des Antragsstellers fingiert.

Am 25. September 2015 erließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge („Bundesamt“) eine Anordnung zur Abschiebung des Antragsstellers nach Italien. Die Durchführung der Abschiebung war für den 22. Februar 2016 vorgesehen. Der Antragssteller legte zwischenzeitlich Klage gegen die Abschiebungsanordnung ein und beantragte parallel die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde am 4. November 2015 zurückgewiesen. Der Antragssteller stellte sodann am 31. Januar 2016 den Antrag, die Abschiebungsanordnung für unwirksam zu erklären. Zur Begründung führte er aus, dass die 6-Monatsfrist gemäß der Dublin-III-Verordnung zur Überstellung nach Italien am 30. Januar 2016 (d.h. 6 Monate nachdem Italiens Zustimmung zur Wiederaufnahme fingiert wurde) abgelaufen war. 

Decision & Reasoning: 

Die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes wurde mit Ablauf der 6-Monatsfrist nach Art. 29 Dublin-III-Verordnung unwirksam. Auf den Ablauf der Frist hatte der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (welcher mit Entscheidung vom 4. November 2015 zurückgewiesen worden war) keine Auswirkungen.

Der Entscheidung des Gerichts lagen die folgenden Erwägungen zugrunde:

1. Auswirkungen von Gerichtsentscheidungen über die Anordnung aufschiebender Wirkung von Rechtsbehelfen auf die 6-Monatsfrist nach Artikel 29 Dublin-III-Verordnung

Das Gericht wendete sich zunächst der Frage zu, welche Relevanz eine Gerichtsentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf den Ablauf der 6-Monatsfrist nach Artikel 29 Dublin-III-Verordnung hat.

Das Gericht kam hier zu der Auffassung, dass eine solche Entscheidung keine Auswirkungen auf den Ablauf der 6-Monatsfrist hat. Es führte hierzu aus, dass eine andere Auffassung missachtete, dass ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 (5) Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) selbst keine aufschiebende Wirkung im Sinne von Art. 27 (3) der Dublin-III-Verordnung hat. Der Rechtsbehelf gegen eine Abschiebungsanordnung habe nicht per se aufschiebende Wirkung und der Antrag nach § 80 (5) VwGO begründe für die Dauer des Eilverfahrens lediglich ein gesetzliches Vollstreckungshindernis nach § 34a (2) Asylgesetz (AsylG), und dies auch nur bei fristgerechter Antragsstellung.

2. Auswirkungen des Ablaufs der 6-Monatsfrist auf Abschiebungsanordnungen

Das Gericht wendete sich dann der Frage zu, welche Auswirkungen der Ablauf der 6-Monatsfrist auf Abschiebungsanordnungen nach deutschem Recht hat.

Hierzu führte es aus, dass mit Ablauf der Frist die Abschiebungsanordnung gemäß § 43 (2) Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) automatisch unwirksam wird. Einer ausdrücklichen Aufhebung der Anordnung bedürfe es nicht.  Nach Auffassung des Gerichts steht dies auch im Einklang mit dem Zweck der Dublin-III-Verordnung, im Interesse der betroffenen Mitgliedsstaaten und des Antragsstellers den zuständigen Mitgliedsstaat möglichst schnell und effizient zu bestimmen. 

Outcome: 

Dem Antrag, die Abschiebung zu unterlassen und die Anordnung zu stornieren, wurde stattgegeben.

Observations/Comments: 

Das neue Asylgesetz trat nach dem Datum der Entscheidung in Kraft.  

Nach einer späteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist in einem Fall, in dem der Antragssteller Rechtsbehelf gegen eine Abschiebungsanordnung eingelegt hat und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt hat, für den Ablauf der 6-Monatsfrist die finale Entscheidung des Gerichts über den Rechtsbehelf maßgebend, sofern die Frist im Zeitpunkt der finalen Entscheidung noch nicht abgelaufen ist. Siehe Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2016, 1 C 22.15 zu den alternativen Anfangszeitpunkten der Frist nach Art. 29 (1) der Dublin-III-Verordnung, nämlich die fingierte Zustimmung eines Mitgliedsstaates zu einem Wiederaufnahmegesuch einerseits und die finale Entscheidung über einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung andererseits. 

This case summary was written by Linklaters LLP.

This case summary was proof read by Julia Oberndorfer, a law student at Leibniz Universität Hannover.

Case Law Cited: 

Germany - Administrative Court of Potsdam - VG 6 K 1344/14.A

Germany - Administrative Court of Potsdam - VG 6 L 211/14.A