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Home ›Deutschland - Verwaltungsgericht Cottbus, 28. April 2017, 1 L 568/16.A
European Union Law > EN - Family Reunification Directive, Directive 2003/86/EC of 22 September 2003
European Union Law > EN - Qualification Directive, Directive 2004/83/EC of 29 April 2004
European Union Law > EN - Reception Conditions Directive, Directive 2003/9/EC of 27 January 2003
European Union Law > EN - Recast Qualification Directive, Directive 2011/95/EU of 13 December 2011
Germany – Asylgesetz (AsylG)
Germany – Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
Germany – Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
Eine schwere psychische Krankheit (Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS) ist ein Grund um vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebung zu gewähren, falls der Antragsteller durch die Abschiebung einem erhöhten Risiko der Selbstgefährdung bis hin zur Suizidgefahr ausgesetzt ist.
Die Antragsteller sind russische Staatsangehörige. 2008 kamen sie nach Polen, wo ihre Asylanträge abgelehnt wurden. 2013 kamen die Antragsteller nach Deutschland, wo sie einen zweiten Asylantrag stellten.
Der Asylantrag des ersten Antragstellers wurde abgelehnt.
Die zweite Antragstellerin litt unter einer PTBS und einer rezidivierenden depressiven Störung. Im Oktober 2016 unternahm sie einen Suizidversuch.
Am 21. Oktober 2016 erhielt die Antragstellerin eine Abschiebungsandrohung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Sie wurde aufgefordert Deutschland zu verlassen. Am 11. November 2016 klagte die Antragstellerin gegen die Abschiebungsandrohung und beantragte die aufschiebende Wirkung ihrer Klage.
Das Verwaltungsgericht ordnete die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Abschiebungsandrohung für die zweite Antragstellerin an.
Laut dem Gericht kann unter anderem eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben einer Person bei der Abschiebung in ein anderes Land ein Abschiebungsverbot begründen (§ 60 Absatz 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz). Diese Gefahr muss von einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung herrühren, welche im Falle einer Abschiebung zu außergewöhnlich schweren psychologischen oder physischen Schäden führen könnten.
Im Falle einer PTBS folgt das Gericht der bestehenden Ansicht anderer Gerichte. Eine PTBS stellt normalerweise keine schwerwiegende Erkrankung dar, welche zu einem Abschiebungsverbot führen könnte. Die Voraussetzungen sind hoch, um eine psychische Erkrankung als schwerwiegende Erkrankung einzustufen. Eine PTBS erfüllt diese Voraussetzungen nur, wenn eine Abschiebung zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung führt.
Der Antragsteller braucht eine ärztliche Bescheinigung, um die Krankheit und ihre Schwere nachzuweisen. Die Bescheinigung muss über die Krankheit und ihren Verlauf Auskunft geben. Außerdem muss daraus hervorgehen, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt wurde.
Die Bescheinigung der Antragstellerin erfüllte diese Voraussetzungen und bestätigt, dass sie unter einer PTBS und einer rezidivierenden depressiven Störung leidet. Diese führten zu einer akuten Selbstgefährdung der Antragstellerin, welche in Suizidversuchen mündete. Die Abschiebung in die Russische Föderation könnte zu einer Retraumatisierung und einer erheblichen Suizidgefahr der Antragstellerin führen, wie die medizinischen Gutachten bestätigen.
Insgesamt war die Krankheit der Antragstellerin für ein Abschiebungsverbot ausreichend, weswegen die aufschiebende Wirkung angeordnet wurde.
Vorübergehender Rechtsschutz wurde gewährt.
Der Fall veranschaulicht die hohen gesetzlichen Anforderungen, um eine Abschiebung bei einer psychischen Erkrankung (vorübergehend) zu verhindern.
Der Fall befasst sich auch mit dem Problem einer Anhörung während eines zweiten Asylantrags. Der erste Antragsteller wurde im Zuge seines zweiten Asylantrags nicht von den deutschen Behörden angehört. Er wurde lediglich während des ersten Asylverfahrens von polnischen Behörden angehört. Dies wurde vom Gericht als ausreichend angesehen, da die deutschen Behörden Zugriff auf die Unterlagen der ersten Anhörung in Polen hatten. Dadurch wurde das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör gewahrt.
Verfasst von Lars Rohrberg, LLM-Student (Amsterdam/Columbia)
Germany – Bundesverwaltungsgericht – 11.09.2007 – 10 C 8/07
Germany – Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – 27.09.2016 – OVG 3 N 24.15
Germany – Verwaltungsgericht München – 26.01.2017 – M 4 S 1636173
Germany – Verwaltungsgericht München – 26.04.2017 – M 16 S7 16.30786
Germany – Verwaltungsgericht Ansbach – 23.03.2017 – AN 4 S 17.30922
Germany – Bundesverwaltungsgericht – 14.12.2016 - 1 C 4.16