Deutschland - Verwaltungsgericht Aachen, 17 November 2015, Az. 8 K 658/15.A

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Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
17-11-2015
Citation:
Case No. Az. 8 K 658/15.A
Court Name:
Verwaltungsgericht Aachen
National / Other Legislative Provisions:
Germany – AsylvfG ( Asylum Procedure Act) – §27
Germany – AsylvfG ( Asylum Procedure Act) – §34
Germany – VwGO – ( Code of Administrative Court Procedure) § 80
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Headnote: 

Die Frage steht offen und bedarf der Aufklärung im Hauptsacheverfahren, ob das bulgarische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen aufweisen  die eine Gefahr der Verletzung des Art. 4 Grundrechte-Charta mit sich bringen (vgl. Art 3(2) EU Verordnung Nr. 604/2013 (Dublin III))– insbesondere im Fall einer „Dublin Rückkehr“.

Facts: 

Der Antragsteller unbekannter Herkunft hat angegeben, über die Türkei nach Bulgarien eingereist zu sein und von dort seine Reise nach Deutschland fortgesetzt zu haben. Aus diesem Grund ist Bulgarien nach Art. 13(1) Satz 1  Dublin III für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig. Am 1. August 2015 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dem Antragsteller mittels Bescheid eine Abschiebungsanordnung nach Bulgarien zukommen lassen. Hiergegen richtet sich der Antragsteller zunächst im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes.

Decision & Reasoning: 

Das BAMF hat den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt, mit der Begründung, dass Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 658/15.A gegen den Bescheid  des BAMFs angeordnet, und die Frage steht offen und bedarf Aufklärung ob die Zuständigkeit Bulgariens für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers durch Art. 13(1) Dublin III,  Art 3(2) Dublin III entgegensteht.

Das Gericht stellte fest, dass die so-genannte Überstellungsfrist nach Art. 29( 1)(1) Dublin III (d.h. eine Überstellung muss innerhalb von Sech Monaten erfolgen),  in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich ausgelegt wird. So wird zum Teil angenommen, dass im Fall eines fristgerechten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach Art. 34a AsylG die Überstellungsfrist, soweit sie nicht schon vor Antragstellung abgelaufen ist, durch den Antrag nach Art.80(5)VwGO unterbrochen wird und die Frist im Fall der Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht neu, d.h. im Umfang von sechs Monaten, zu laufen beginnt (Vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 ‑ 5 B 259/15.A). Andere Gerichte gehen dahingegen davon aus, dass der Lauf der Frist während des vorläufigen Rechtsschutzes nur gehemmt wird, die Frist nach negativem Abschluss des Verfahrens also weiterläuft und nicht neu beginnt (VGH Bad.-Württemberg, Urteile vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15). Dennoch Bedarf für das vorliegende Verfahren keiner Entscheidung, da danach zumindest während eines anhängigen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Überstellungsfrist nicht ablaufen kann.

Gemäß Art 3(2) Dublin III darf eine Überstellung in einem Mitgliedsstaat nicht erfolgen, wenn dort das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr der Verletzung des Art 4. Grundrechte-Charta mit sich bringen. Es gilt das „Prinzip des gegenseiteigen Vertrauen“ (vgl Art.78. AEUV).Diese beruht auf der  obwohl es eine widerlegbare Vermutung ist, eine Wiederlegung ist an hohe Hürden geknüpft wegen der gewichteigen Zweck des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (CEAS). Nicht jede drohende Grundrechtverletzung oder geringste Verstöße genügen (Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/19, C-411/10, C-493/10, EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14).

Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem, faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird.

Systemische Schwachstellen, muss auch der konkrete Schutzsuchende individuell betroffen sein. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden.

Das Gericht hat Bezug auf eine Stellungnahme des UNHCR vom Juni 2015 genommen, und hat die Angabe des UNHCR für widersprüchlich gehalten. Es sei aus der Stellungnahme des UNHCR nicht erkennbar, ob im Fall einer Rückkehr nach einem Zeitraum von drei Monaten und zehn Tage nach Registrierung des Antrags, ein Asylsuchender inhaftiert und nur einen Folgeantrag stellen kann oder ob er in einer Aufnahmeeinrichtung aufgenommen und das ursprüngliche Asylverfahren fortgesetzt wird.

Im ersten Fall bestünden zumindest schon deshalb ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass im bulgarischen Asylverfahren systemische Mängel bestehen, da dann eine vollumfängliche Sachprüfung des Asylbegehrens des Betroffenen in keinem Mitgliedstaat stattfinden würde. Das Gericht wird diese Frage im Hauptsacheverfahren aufzuklären zu haben. Ob systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorliegen.

Outcome: 

Aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Subsequent Proceedings : 

Das Hauptsacheverfahren wird beim VG Aachen unter dem Az. 8 K 658/15.A geführt.

Observations/Comments: 

This case summary was written by Avril Rushe, a BPTC student at BPP University. 

This case summary was proof read by Iryna Valdayeva, a student at BPP University. 

Other sources cited: 

UNHCR, Aktualisierte Antworten auf Fragen von UNHCR Deutschland im Zusammenhang mit Überstellungen nach dem Dublin-Verfahren, Juni 2015

Case Law Cited: 

Germany - Administrative Court Minden, 18. February 2015 - 10 L 116/15.A

Germany - Administrative Court Aachen, 19. August 2015 6 K 2553/14.A

Germany - BVerwG, Judgment of 19 March 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N

Germany - Federal Administrative Court, 6. June 2014 - 10 B 35.14

Germany - Higher Administrative Court Nordrhein-Westfalen, 7. March 2014 - 1 A 21/12.A

Germany- Higher Administrative Court of NRW, 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A

Germany- Administrative court BW, 27. August 2014 - A Il S 1285/14

Germany - Administrative Court Minden, 29. April 2015 - 10 K 2430/14.A

Germany - Administrative Court Gelsenkirchen, 19. June 2015 - 7a K 5475/14.A

Germany- Administrative Court Frankfurt, 5. February 2015 - 5 K 567/14

Germany - Administrative Court Düsseldorf, 29. December 2014 23 L 3127/14.A

Germany - Administrative Court Karlsruhe, 30. November 2014 A 5 K 2026/14

Germany - Administrative Court Bad.-Württemberg, 29. April 2015 - A 11 S 121/15

Germany - Administrative Court Würzburg, 9. April 2015 - W 3 S 15.50067

Germany - Higher Administrative Court NordrheinWestphalen, 3. November 2015 - 13 A 2255/15.A

Germany - Federal Constitutional Court,17. April 2015 2 BvR 1795/14

Germany - Administrative Court Baden-Württemberg, 1. April 2015 - A 11 S 106/15

Germany - Administrative Court Oldenburg, 24. June 2015 - 12 B 2278/15

Germany - Administrative Court Baden-Württemberg, 1. April 2015 - A 11 S 106/15