Deutschland - Oberverwaltungsgericht Hamburg, 22. April 2010, 4 Bf 220/03.A

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Headnote: 

Keine Flüchtlingsanerkennung, da der Kläger als Mitglied der sozialen Gruppe (Art. 10 Abs. 1 d QRL) "der im Süden der Cote d'Ivoire lebenden Djoula" mangels erheblicher Verfolgungsdichte bei seiner Flucht im Jahr 2001 keiner Gruppenverfolgung unterlag, somit nicht vorverfolgt ist und ihm als Djoula bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche Gruppenverfolgung droht.

Facts: 

Der 1976 geborene Kläger gehört zum Volk der Djoula und ist Moslem. Er reiste erstmals 1992 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Nach Ablehnung des Antrages wurde er 1999 nach Cote d’Ivoire abgeschoben. Im Dezember 2001 reiste er erneut nach Deutschland ein und beantragte erneut seine Anerkennung als Asylberechtigter. Der Antrag wurde abgelehnt. Mit Urteil vom 22.5.2003 hat das Verwaltungericht das Bundesamt verpflichtet, den Flüchtlingsstatus zu gewähren. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr Gefahr laufe, als Djoula und Moslem Opfer einer Gruppenverfolgung zu werden.

Das Bundesamt beantragte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil mit der Begründung, es bedürfe der grundsätzlichen Klärung, ob einem Djoula und Moslem Gruppenverfolgung drohe und, falls dies zu bejahen ist, ob es in Cote d’Ivoire keine inländische Fluchtalternative gebe.

Decision & Reasoning: 

Bei der Frage, nach welchem Prognosemaßstab eine Rückkehrverfolgung zu beurteilen ist, ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz  4 und 5 AufenthG die Beweiserleichertung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2004/83/EG zu berücksichtigen. Insoweit darf im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung nach der Richtlinie 2004/83/EG eine etwaige Vorverfolgung nicht mehr (wie dies von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher angenommen worden ist) wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden. Denn bereits aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ergibt sich, dass einem Antragsteller, der im Herkunftsstaat Verfolgung erlitten hat oder dort unmittelbar von Verfolgung bedroht war, die Beweiserleichterung nach Maßgabe dieser Vorschrift unabhängig davon zugute kommen soll, ob er zum Zeitpunkt der Ausreise auch in einem anderen Teil des Herkunftslandes hätte Zuflucht finden können (BverwG, Urt. V. 19.1.2009, 10 C 52.07).

Die vorliegenden Erkenntnisse lassen die Prognose zu, dass der nicht vorverfolgte Kläger im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von Art.9 der Richtlinie 2004/83/EG betroffen zu werden. Dazu im Einzelnen:

Für die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart lässt sich nicht feststellen, dass Angehörige der Gruppe der Djoula in Côte d’Ivoire einem ernsthaften Risiko ausgesetzt waren und/oder derzeit ausgesetzt sind, Opfer von Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG zu werden.

Es hat auch noch nach dem Friedensabkommen vom März 2007 in Côte d’Ivoire eine bestimmte Anzahl ethnisch und/oder parteipolitisch gefärbter Auseinandersetzungen gegeben. Diese Vorfälle waren nach den dazu vorliegenden Erkenntnissen jedoch nach Art, Umfang und Intensität nicht vergleichbar mit den Gewalttätigkeiten und den bewaffneten Auseinandersetzungen während des Bürgerkriegs im September 2002 und der Zeit unmittelbar danach.

Die hohe Kriminalitätsrate in Côte d’Ivoire und das damit verbundene Risiko, in diesem Land Opfer von schweren Straftaten zu werden, begründet für sich genommen keine anzuerkennende Furcht vor Verfolgungshandlungen nach Art. 9, 10 der Richtlinie 2004/83/EG.

Schliesslich ist auch nicht zu befürchten, dass sich die Situation in Côte d’Ivoire im Hinblick auf eine mögliche Verfolgung (moslemischer) Djoula in einem zukünftigen, überschaubaren Zeitraum ändern wird und deshalb mit der hier notwendigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer zukünftigen Gruppenverfolgung besteht. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine eine mögliche Änderung der Verhältnisse.

Outcome: 

Die Klage wird abgewiesen.

Subsequent Proceedings : 

Revision nicht zugelassen. 

Case Law Cited: 

Germany - Federal Administrative Court, 20 March 2007, 1 C 21.06