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Home ›Deutschland - Bundesverwaltungsgericht, 1 C 22.15, 27 Avril 2016
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Germany - Section 27a AsylG(Asylum Act)
Germany - Section 34a (1) 1AsylG(Asylum Act)
Germany - Section 34a (2) 1 AsylVfG (Asylum Procedure Act)
Germany - Section 34a (2) 1AsylG (Asylum Act)
Germany - Section 34a (2) 2AsylVfG (Asylum Procedure Act)
Germany - Section 34a (2)2 AsylG(Asylum Act)
Germany - Section 77 (1)1AsylVfG (Asylum Procedure Act)
Germany - Section 77 (1) 1 AsylG (Asylum Act)
Germany - Section 137 (2) VwGO (Code of Administrative Court Procedure)
Das Bundesverwaltungsgericht (das „Gericht“) hat das Verfahren ausgesetzt. Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union („EuGH“) zu folgender Frage eingeholt:
Sind auf einen Asylbewerber, der nach seiner Überstellung durch einen Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat illegal in den überstellenden Mitgliedstaat wieder einreist, die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III-VO“) mit der Obliegenheitzur Stellung eines (Wieder-)Aufnahmegesuchs und der Möglichkeit eines Zuständigkeitsübergangs anwendbar?
Die Sechs-Monatsfrist i.S.v. Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO beginnt nach der Annahme oder der Fiktion der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mittgliedstaat (erste Alternative in Art. 29 Abs. 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese eine aufschiebende Wirkung hat (zweite Alternative in Art. 29 Abs. 1) zu laufen. Bei der zweiten Alternative setzt das spätere Ereignis die Überstellungsfrist in Lauf, es sei denn, die mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs angelaufene Überstellungsfrist ist abgelaufen.
Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, wurde im September 2014 von der Polizei in Frankfurt am Main aufgegriffen und stellte am 29. Oktober 2014 einen Asylantrag. Eine Eurodac-Treffermeldung ergab, dass der Kläger bereits am 4. September 2014 in Italien Asyl beantragt hatte. Daraufhin ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge („Bundesamt“) die italienischen Behörden um die Wiederaufnahme des Klägers, ohne jedoch im Folgenden eine Antwort zu erhalten.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers wegen der Zuständigkeit Italiens als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an.
Der Kläger beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Trier erhobenen Klage.Er begründet seinen Antrag damit,dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufwiesen.
Das Verwaltungsgericht Trier lehnte den Antrag mit Beschluss vom 12. März 2015 ab und wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2015 ab. Daraufhin wurde der Kläger am 3. August 2015 nach Italien abgeschoben, kehrte aber Mitte August 2015 illegal nach Deutschland zurück.
Seine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz („OVG Koblenz“) hatteErfolg. Dem Gericht zufolge war die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb der Sechs-Monatsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO nach Italien überstellt worden war. Diese Frist habe mit der (fingierten) Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden am 26. November 2014 begonnen.
Hiergegen richtete sich die Revision des Bundesamtes. Es rügte, die Überstellung des Klägers sei fristgemäß erfolgt. Denn die sechsmonatige Überstellungsfrist habe erst mit dem ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begonnen (somit am 12. März 2015).
Das Gericht hat den Rechtsstreit ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union (“EuGH”) zur Vorabentscheidung vorgelegt.Die dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen betreffen die Auslegung von Kapitel VI der Dublin-III-VO bezüglich des Wiederaufnahmegesuches und der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Prüfung des Antrags eines Asylbewerbers, der nach seiner Abschiebung illegal zurückkehrt. Die Vorlagefragen waren nach Auffassung des Gerichtes entscheidungserheblich und bedurften einer Klärung durch den EuGH.
Das Gericht führt zunächst aus, dass es nach ständiger Rechtsprechung, Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eingetreten seien, zu berücksichtigen habe. Dies schließe die Änderungen des Asylgesetzes (AsylG) durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahrens und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern (beide Gesetze vom März 2016) ein.
Das Gericht führt weiter aus, das OVG Koblenz sei zutreffend von der originären Zuständigkeit Italiens ausgegangen. Die Zuständigkeit ergebe sich vorliegend aus Kapiteln II und III der Dublin III-VO (insbesondere Art. 3, 7 und 13). Dem Gericht zufolge hätte die Zuständigkeit dann grundsätzlich auf Deutschland übergehen können, und zwar entweder gem. Art. 3 Abs. 2 (aufgrund der systematischen Mängel des Asylverfahrens in Italien) oder gem. Art. 23 und 24 Dublin-III-VO. Die originäre Zuständigkeit Italiens könne das Gericht nicht abschließend beurteilen, da das OVG Koblenz in seinem Urteil keine das Gericht bindende Tatsachenfeststellungen dazu getroffen und somit die Frage offen gelassen habe, ob das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien systematische Schwachstellen aufweisen. Das Gericht geht daher davon aus, es habe den Fall nach den Regelungen der §§ 27a, 34a, 77 AsylG und Art. 23 und 24 Dublin-III-VO zu entscheiden.
Dazu bedurften nach dem Gericht einige Fragen der Klärung durch den EuGH und waren daher entscheidungserheblich.
Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO Italien oder Deutschland zuständig ist, könne entgegen der Annahme des OVG Koblenz nicht deshalb offenbleiben, weil Deutschland jedenfalls nachträglich gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig geworden ist. Denn nach Auffassung des Gerichtes ist der Kläger bei richtiger Berechnung der Überstellungsfrist fristgemäß nach Italien überstellt worden. Das Gericht begründet dies wie folgt:
· Die Sechs-Monatsfrist i. S. v. Art. 29 Abs. 1 beginnt zu laufen entweder nach der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Alternative) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese eine aufschiebende Wirkung hat (zweite Alternative);
· Bei der Anwendung des Art. 29 Dublin-III-VO soll den Mitgliedstaaten gestattet werden, die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen zu können (EuGH Rechtsprechung).
· Die Frist beginnt bei der zweiten Alternative daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann.
· Wenn die zweite Alternative des Art. 29 Abs. 1 Dublin II-VO greift, d. h. wenn der Kläger gegen die Überstellungsentscheidung eine Klage erhoben und rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt hat, und die nach der ersten Alternative des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO in Lauf gesetzte Überstellungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war, beginnt die Überstellungsfrist (erneut) mit Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung bzgl. des vorläufigen Rechtsschutzes zu laufen. Der Zeitpunkt der Annahme des (Wieder-)Aufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (vorliegend: Italien) ist nicht mehr relevant.
Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Überstellungsfrist wegen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung (erneut) mit Bekanntgabe des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 12. März 2015 an die Beklagte zu laufen begann und folglich bei der Überstellung des Klägers am 3. August 2015 noch nicht abgelaufen war.
Dem Gericht zufolge war die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages demnach nicht gem. Art. 29 Dublin III-VO auf Deutschland übergangen. Die Frage, ob ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 oder 24 Dublin-III-VO eintreten konnte, war folglich hier entscheidungsrelevant. In diesem Kontext hat das Gericht folgende Fragen an EuGH formuliert. Zu manchen Fragestellungen deutete das Gericht auch seine Rechtsauffassung an.
Frage 1: In einem Fall, in dem ein Asylbewerber nach Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) aufgrund gerichtlicher Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung nach der Dublin-III-VO in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: Italien) überstellt wurde und er danach umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zurückgekehrt ist:
- Ist nach den Grundsätzen der Dublin-III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung die Sachlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgeblich, weil mit der fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vorschriften der Dublin-III-VO für die weitere Entwicklung nicht mehr anzuwenden sind, oder sind nachträgliche Entwicklungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erheblichen Umstände - z.B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerlichen) Überstellung - zu berücksichtigen?
Diese Frage soll klären, ob nach den Grundsätzen der Dublin-III-VO für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung abweichend von der nationalen Regelung des § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG (danach ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung/der Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend) unionsrechtlich die Sachlage im Zeitpunkt der fristgerecht erfolgten Überstellung relevant ist. Nach Auffassung des Gerichtes spricht einiges dafür, dass nach einer fristgerecht erfolgten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates endgültig bestimmt ist und die Vorschriften der Dublin-III-VO, insbesondere diejenigen über die Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens, auf nachträgliche tatsächliche Umstände wie die illegale Wiedereinreise eines Asylbewerbers nicht mehr anwendbar sind. Das Gericht führt aus, dass die die Dublin-III-VO zu dieser Frage keine ausdrücklichen Regelungen enthält. Eine analoge Anwendung der Art. 23 und 24 Dublin-III-VO käme in Betracht. Das Gericht äußert seine Bedenken bezüglich der analogen Anwendung der Art. 23 und 24 Dublin-III-VO, da dies Asylbewerber dazu veranlassen könnte, sich trotz der Überstellung wieder in den von ihnen favorisierten Mitgliedstaat zu begeben. Eine solche Annahme liefe dem Ziel des Dublin-Systems zuwider, durch Schaffung einheitlicher Verfahren die Sekundärmigration gerade zu verhindern.
- Für den Fall, dass mit einer einmal fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten endgültig bestimmt ist, bedarf es - zudem der Klärung, ob aufgrund der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich sind und dieser zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt.
Als Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmepflicht des originär zuständigen Mitgliedstaates ließe sich die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO anführen und Art. 6 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008. Folgt man dem nicht, verbliebe das unter anderem zwischen Deutschland und Italien am 29. März 1991 geschlossene Übereinkommen betreffend der Rücknahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt.
Frage 2: Für den Fall, die Zuständigkeitsbestimmung nicht endgültig abgeschlossen ist.
- Ist Art. 23 Dublin-III-VO (analog) (über Wiederaufnahmeverfahren nach erneuter Antragstellung) mit der Folge, dass bei einem nicht fristgerechten erneuten Wiederaufnahmegesuch ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin-III-VO eintreten kann, anzuwenden oder
- Art. 24 der Dublin-III-VO (analog) (über Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Antragstellung) mit der Folge, dass ein Zuständigkeitsübergang nach Art. 24 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO eintreten kann oder
- keine der unter a) und b) genannten Regelungen?
Frage 3: Für den Fall, dass auf eine solche Person weder Art. 23 noch Art. 24 Dublin-III-VO (analog) anwendbar sind (Frage 2 Buchstabe c): Sind aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) möglich und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet - unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesuche ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO?
Frage 4: Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 23 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Buchstabe a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesuch an eine neue Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?
Das Gericht äußert hier seine Ansicht, dass die Kenntnis der zuständigen Behörde (hier: Bundesamt) maßgeblich ist.
Frage 5: Für den Fall, dass auf eine solche Person Art. 24 Dublin III-VO (analog) anzuwenden ist und der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) ein erneutes Wiederaufnahmegesuch zu unterbreiten hat (Frage 2 Buchstabe b):
- Wie bei der Frage 4, ist auf das erneute Wiederaufnahmegesuch die Fristregelung des Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO (analog) anwendbar? Wenn ja: Wird diese neue Frist durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?
- Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates (hier: Deutschland) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: Italien) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesuch in diesen Mitgliedstaat überstellen?
Das Gericht betont, dass anders als Art. 23-Dublin III-VO, Art. 24 Abs. 3 Dublin-III-VO keinen unmittelbaren Zuständigkeitsübergang vorsieht. Art. 24 Abs. 3 Dublin-III-VO bestimmt, dass dem Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag zu stellen. Nach Auffassung des Gerichtes kann Art. 24 dahin zu verstehen sein, dass mit der Stellung des Antrages die Zuständigkeit unmittelbar übergeht. Wirkt die Stellung des neuen Antrages nicht unmittelbar zuständigkeitsbegründend könnte der Mitgliedstaat, in dem der neue Antraggestellt wird, (hier: Deutschland) berechtigt bleiben, den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an die Frist gem. Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO um Wiederaufnahme zu ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen in diesen zu überstellen.
- Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) eine nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstreichen lässt: Ist dann die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: Deutschland) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen?
Wenn die Antwort auf die Frage 5 c negativ ist, also wenn die nach Art. 24 Abs. 2 Dublin III-VO (analog) zu beachtende Frist verstrichen und kein neuer Asylantrag gestellt wird noch die Rechtshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 Dublin III-VO gleichzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: Deutschland) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an eine Frist gem. Art. 24 Abs. 2Dublin III-VO um Wiederaufnahme ersuchen oder den Asylsuchender in diesen Mitgliedstaat überstellen?
Das Gericht hat den Rechtsstreit ausgesetzt. Gemäß Art. 267 AEUV wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu den oben genannten Frageneingeholt.
Verfahren gemäß Art. 267 AEUV.
Obwohl das Gericht keine Entscheidung in dem Rechtsstreit getroffen hat, hat es faktisch geregelt, wie die Sechs-Monatsfrist i.S.v. § 29 Abs. 2 Dublin III-VO zu berechnen ist. Diese Regelung erfolgt im Einklang der Rechtsprechung des Gerichtes bzgl. der Fristberechnung nach Dublin II-VO (vgl. BVerwG 1 C 10.15, Rn. 16). Des Weiteren enthält die Entscheidung einige Leitlinien dazu, wie das Gericht die Regelungen der Dublin III-VO sowie des deutschen Rechts auf die Asylsuchende anwendet, die nach der Abschiebung illegal nach Deutschland zurückkehren.
This case summary was written by Linklaters LLP.
This case summary was proof read by Ann-Christin Bolter, an LLM graduate in Human Rights Law at Queen Mary's University, London.
Art. 2 Abs. 1 Übereinkommen betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt zwischen Deutschland und Italien vom 29. März 1991.
Germany - Federal Administrative Court (Bundesverwaltungsgericht),Beschlussdated 26 February 1997 – 1 B 5.97
Germany – Federal Administrative Court, 11 September 2007, 10 C 8.07
Germany - Federal Administrative Court, 17 September 2015 – 1 C 26.14
CJEU - C-19/08 Migrationsverket v Edgar Petrosian and Others (UP)