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Home ›Deutschland - Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 11. Januar 2010, 9 B 08.30223
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UN Charter - Art 1
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Rome Statute of the ICC
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Rome Statute of the ICC - Art 8.2 (c)
Rome Statute of the ICC - Art 8.2 (e)


Widerruf des Flüchtlingsstatus für führendes Mitglied einer Organisation, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, verübt hat (Präsident der Forces Démocratiques pour la Libération du Rwanda - FDLR).
Der Kläger reiste im März 1989 zum Studium nach Deutschland ein. Im März 2000 wurde ihm der Flüchtlingsstatus zuerkannt, da ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten politische Verfolgung drohte. Im Jahr 2001 wurde der Kläger Präsident der Forces Démocratiques pour la Libération du Rwanda (FDLR), einer Hutu-Exilorganisation, die im Osten der DR Kongo über bewaffnete Kampfgruppen verfügte.
Im Februar 2006 widerriefen die Behörden die Flüchtlingsanerkennung wegen schwerwiegender Gründe für die Annahme, dass der Kläger als Präsident der FDLR für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo verantwortlich sei. Die Handlungen der FDLR verstießen zudem gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, da sie ein von der UNO verhängtes Waffenembargo nicht eingehalten habe. Der Kläger werde daher auf einer Liste des UN-Sicherheitsrats genannt.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hob den Widerrufsbescheid im Dezember 2006 auf, da die Ausführungen des Bundesamtes zu den Verbrechen der FDLR, der Verletzung des Waffenembargos und der Verantwortung des Klägers nicht ausreichend belastbar seien und der Kläger glaubhaft gemacht habe, sich von Verbrechen distanziert zu haben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Bundesamtes.
Die Berufung der Behörden hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung zu Unrecht aufgehoben.
Zunächst ist die Frage zu klären, ob ein nach der Anerkennung entstandener Ausschlussgrund zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führen kann. Der Wortlaut der Qualifikationsrichtlinie – nämlich die Verwendung der Vergangenheitsform in (der deutschen Fassung von) Art. 12 (2) (a) der Qualifikationsrichtlinie - spricht dafür, dass der Ausschlussgrund vor der Anerkennung als Flüchtling vorgelegen haben muss. Einschlägig im vorliegenden Fall ist aber die Regelung zum Widerruf des Art. 14 (3) (a) der Qualifikationsrichtlinie. Dort ist klargestellt, dass die Flüchtlingsanerkennung auch dann aufzuheben ist, wenn die Tat nach der Anerkennung begangen wurde ("... ausgeschlossen ist“). Auch die Genfer Flüchtlingskonvention kennt das Konzept der „Asylunwürdigkeit“.
Allein schon aufgrund seiner Stellung als Präsident der FDLR ist der Kläger auch für deren Handlungen mitverantwortlich. Er ist daher im Sinne von Art. 12 (3) der Qualifikationsrichtline als ein „in sonstiger Weise Beteiligter“ anzusehen. Dieser Begriff geht über den Personenkreis der Täter und Teilnehmer im Sinn des - deutschen - Strafrechts hinaus und erfasst auch andere Unterstützungsformen innerhalb einer Organisation
Für den verbrecherischen Charakter der Aktionen der FDLR spielt es keine Rolle, dass auch die gegnerischen Konfliktparteien Verbrechen an der Zivilbevölkerung begehen. Es handelt sich um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts.
Auch der Ausschlusstatbestand der Zuwiderhandlungen gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen ist erfüllt. Im Gegensatz zur Auffassung der Behörden ergibt sich dies nicht schon allein daraus, dass der Kläger in die Liste des Sanktionsauschusses aufgenommen wurde. Denn die Aufnahme in diese Liste kann nicht angefochten werden, und es ist nicht klar, auf welcher Grundlage sie geschieht. Jedoch laufen die genannten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Friedenssicherung und der Achtung vor den Menschenrechten zuwider, die nach der UN-Charta von 1945 zu den wesentlichen Zielen der Vereinten Nationen gehören. Zwar bezieht sich dieser Ausschlussgrund primär auf Staaten. Die FDLR stellt im Osten der Demokratischen Republik Kongo aber ein staatsähnliches Gebilde dar und kontrolliert ein Territorium Daher ist dieser Ausschlussgrund auch auf die FDLR und auf den Antragsteller anwendbar.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach wird aufgehoben. Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung war rechtmäßig. Allerdings wird die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Revision wurde mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2011 (Az. 10 C 2.10/M18634) zurückgewiesen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs somit bestätigt.
Das Urteil wurde durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt (BVerwG vom 31.3.2011 - 10 C 2.10 – asyl.net, M18634).
- Kai Hailbronner, Ausländerrecht
- Michael Funke-Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz,
- Reinhard Marx, Asylverfahrensgesetz, 7. Auflage 2009
CJEU - C-402/05 P & C-415/05 P Yassin Abdullah Kadi & Al Barakaat International Foundation v Council & Commission
Germany - Federal Administrative Court, 14 October 2008, 10 C 48.07
Germany - High Administrative Court Bayern, 21 October 2008, 11 B 06.30084