Deutschland – Bundesverwaltungsgericht, 02. Juni 2017, 1 B 108.17

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Country of Decision:
Country of Applicant:
Date of Decision:
02-06-2017
Citation:
BVerwG 1 B 108.17
Court Name:
Bundesverwaltungsgericht, 1. Senat (Prof. Dr. Berlit, Prof. Dr. Dörig, Dr. Wittkopp)
National / Other Legislative Provisions:
Germany - Administrative Court Act
Germany - Asylum Act
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Headnote: 

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird verworfen. Eine für die Zulassung zur Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderliche grundsätzliche Bedeutung wird nicht dargelegt (i.S.v. § 133 Abs. 3 S.3 VwGO). Die Beweislast liegt beim Antragsteller.

Die vom Antragsteller vorgebrachten Argumente, insbesondere ein abweichendes Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof bei ähnlicher Faktenlage, beziehen sich auf Tatsachenfragen. Die Klärung solcher ist jedoch dem  Berufungsgericht vorbehalten, sie begründen keine Klärungsbedürftigkeit i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Facts: 

Ein syrischer Militärreservist macht Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geltend. Das Berufungsgericht kam zu dem Schluss, dass die drohenden Sanktionen für einen wiederkehrenden syrischen Militärreservisten, welcher sich durch Flucht der Einberufung zum Militärdienst entzogen hat, eine Strafe wegen der Nichterfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht darstellt. Danach sollen die Sanktionen den Betroffenen nicht in einem asylrechtlich erheblichen Merkmal treffen. Daher hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt.

Das Gericht hat in seinem Beschluss vom 1. März 2017 die Revision nicht zugelassen.

Decision & Reasoning: 

Das Bundesverwaltungsgericht legt dar, dass für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung die Klärungsbedürftigkeit bezüglich des anzuwendenden rechtlichen Maßstabes bestehen muss. Nicht ausreichend ist hingegen eine Tatsachenfrage grundsätzlicher Bedeutung, auch wenn die Tatsachenfeststellungen für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist. Im Gegensatz zum britischen Prozessrecht hat das Bundesverwaltungsrecht keine Befugnis solche Tatsachenfragen grundsätzlicher Bedeutung  zu klären.

Das Gericht bezieht sich auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 2016, in welchem dieses bestätigt, dass das Bundesverwaltungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist. Unterschiedliche Bewertungen  bei weitgehend identischer Tatsachengrundlage führen auch nicht zu einer rechtsgrundsätzlichen Frage zur Auslegung und Anwendung von § 108 VwGO.

Das Gericht erklärt des Weiteren, dass sich eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auch nicht aus der im Rahmen der Beschwerde herangezogenen Rechtsprechung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 12. Dezember 2016 -21 B 16.30372) ergibt.            Dieser geht von den gleichen in höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Maßstäben aus, welche auch das Berufungsgericht anwendet, um zu klären, ob dem Kläger wegen der flucht-bedingten Wehrdienstentziehung Verfolgung i.S.v. § 3b AsylG droht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die an die Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung, wenn sie, über die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht hinaus, den Betroffenen auch wegen eines asylerheblichen Merkmals treffen (Religion, politische Überzeugung, sonstiges asylerhebliches Merkmal).

Die Richter stellen anschließend das Ergebnis des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs dar. Danach droht syrischen Rückkehrern, die sich durch Flucht einer drohenden Einberufung zum Militärdienst entziehen, eine menschenrechtswidrige Behandlung (insbesondere Folter). Das beruht auf der Annahme, dass die syrischen Sicherheitskräfte die Rückkehrer nicht wegen einer alle männlichen Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht sanktionieren, sondern ihnen durchweg eine illoyale und politisch oppositionelle Haltung unterstellen.

Das Gericht argumentiert, dass dieses vom Berufungsgericht abweichende Ergebnis jedoch auf einer anderen Einschätzung des syrischen Regimes und dessen Sicherheitskräften beruht. Damit stelle es eine den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhaltswürdigung dar. Das Bundesverwaltungsgericht kommt mithin zu dem Schluss, dass in der Beschwerde keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht wird, welche die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Revisionsgericht begründet.

Outcome: 

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 01. März 2017 wird verworfen.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.

Observations/Comments: 

This case summary was written by Tim Drunkenmölle.

Case Law Cited: 

Germany - Higher Administrative Court Rhineland-Palatinate 01.03.2017 - 1 A 10977/16

Germany - Bavarian Administrative Court, 12th December 2016 – 21 B 16.30372

Germany - Federal Court of Justice: Bundesgerichtshof, 26 June 2014, Case V ZB 31/14)