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Home ›Österreich - Verfassungsgerichtshof, 02 oktober 2010, U3078/09
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Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 14 Abs 7
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 17 Abs 2
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 17a
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 39 Abs 2
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 44(b) Abs 2
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 44(f) Abs 2
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 57 Abs 3
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 66
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 67e Abs 2
Austria - Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (General Administrative Procedure Act) 1991 - § 68
Austria - Asylgerichtshofgesetz (Asylum Court Act) - § 23
Austria - Asylgerichtshofgesetz (Asylum Court Act) - § 57 Abs 3
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 10
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 3
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 61
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 64
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 66
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2006 - § 8
Austria - Bundes-Verfassungsgesetz (Federal Constitutional Law) - Art 83 Abs 2
Austria - Bundes-Verfassungsgesetz (Federal Constitutional Law) - Art 144a
Austria - Verfassungsgerichtshofgesetz (Constitutional Court Act) - § 19 Abs 3 Z 2
Austria - Verfassungsgerichtshofgesetz (Constitutional Court Act) - § 19 Abs 4
Austria - Verfassungsgerichtshofgesetz (Constitutional Court Act) - § 88
Austria - Verfassungsgerichtshofgesetz (Constitutional Court Act) - § 88a
Austria - Verwaltungsstrafgesetz (Administrative Penalties Act) - § 51a


Der Antragssteller stellte gleichzeitig mit seiner Beschwerde Anträge auf Beigebung eines Rechtsberaters und auf Prozesskostenhilfe. Der Asylgerichtshof wies die Beschwerde ab und die Anträge auf Beigebung eines Rechtsberaters sowie auf Prozesskostenhilfe als unzulässig zurück. Der Verfassungsgerichtshof hob dieses Erkenntnis unter Verweis auf Art 15 Verfahrensrichtlinie auf: Der Asylgerichtshof hätte die Anträge auf Beigebung eines Rechtsberaters sowie auf Prozesskostenhilfe nicht zurückweisen dürfen, sondern inhaltlich über diesen Antrag mittels einer gesondert mit einem Rechtsmittel bekämpfbaren Entscheidung absprechen müssen.
Der Antragssteller stellte am 11.02.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag ab und wies ihn in die Russische Föderation aus. Der Asylgerichtshof wies die dagegen eingebrachte Beschwerde mittels Erkenntnis vom 02.04.2009 als unbegründet ab.
Am 16.10.2009 stellte der Antragssteller einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde wegen entschiedener Sache (res judicata) zurückgewiesen. In der Beschwerde gegen letztgenannte Entscheidung beantragte der Antragssteller auch die Beigebung eines Flüchtlingsberaters (entspricht dem „Rechtsberater“ im Sinne von Art 15 Verfahrensrichtlinie) sowie Verfahrenshilfe (entspricht der Prozesskostenhilfe).
Infolge eines Zustellmangels war das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.04.2009 nicht rechtskräftig geworden; der Asylgerichtshof hob daher die Zurückweisung wegen entschiedener Sache auf. Inhaltich wies der Asylgerichtshof schließlich die Beschwerde betreffend Asyl, subsidiärer Schutz und Ausweisung mit Erkenntnis vom 13. 11.2009 ab. Gleichzeitig wies er die Anträge auf Beigebung eines Rechtsberaters sowie auf Prozesskostenhilfe ohne eine inhaltliche Prüfung als unzulässig zurück. Laut Asylgerichtshof hätte der Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters an den Rechtsberater selbst, und nicht an den Asylgerichtshof gerichtet werden müssen; für eine Beigebung eines Rechtsberaters durch den Asylgerichtshof fehle die gesetzliche Grundlage. Der Asylgerichtshof habe in diesem Zusammenhang keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken, wenn die Rechtsberater tatsächlich zur Verfügung stehen, wovon der Asylgerichtshof ausgehe.
Dagegen erhob der Antragssteller Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander, Art 3 EMRK).
Der Verfassungshof hob das angefochtene Erkenntnis des Asylgerichtshofes wegen Verfassungswidrigkeit auf.
Der Verfassungsgerichtshof kam in seinem Urteil zum Schluss, dass der Antragssteller durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Dieses Recht ist u.a. dann verletzt, wenn eine Behörde zu Unrecht ablehnt, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. ImDetail begründete der Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung wie folgt:
Asylwerber würden in ihrem Asylverfahren nicht notwendigerweise der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedürfen. Sie hätten jedoch besondere Bedürfnisse, vor allem hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Verfahren vor dem Asylgerichtshof zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen. Diesen besonderen Bedürfnissen würden die §§ 64 ff. Asylgesetz 2005 (idF BGBl. I Nr. 29/2009) und § 66 leg.cit. Rechnung tragen. § 66 Abs 2 Z 3 Asylgesetz sehe vor, dass Rechtsberater („Flüchtlingsberater“) Antragssteller (u.a.) in Asylverfahren zu vertreten haben, wenn nicht die Zuziehung eines Rechtsanwaltes gesetzlich vorgeschrieben sei. Die Vertretung habe auf Verlangen des Antragsstellers zu erfolgen. An wen dieses Verlangen gerichtet sein müsse, lasse die Bestimmung offen. Der Asylgerichtshof sei nicht im Recht mit seiner Auffassung, wonach der Antragssteller sein Verlangen auf Vertretung direkt an einen Rechtsberater richten müsse. Denn mit dem „Verlangen“ des Antragsstellers korrespondiere die rechtliche Pflicht der Behörde zum Tätigwerden. Weiters ergibt sich dies auch mangels festgelegter Sanktionen für den Fall der Untätigkeit eines Rechtsberaters trotz Verlangen des Antragstellers auf Vertretung. Schließlich bestimme Art 15 Abs 2 Verfahrensrichtlinie (vorbehaltlich Abs 3), dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass auf Antrag des Asylwerbers diesem Rechtsberatung und/oder -vertretung zukommt. Aus Art 15 Abs 3 iVm Art 39 ergebe sich, dass zumindest im Verfahren vor dem Asylgerichtshof eine kostenlose Rechtsberatung bzw. -vertretung bestehen müsse.
Aufgrund des Gebotes der richtlinienkonformen Interpretation nationalen Rechts sei die Formulierung „auf Verlangen“ in § 66 Abs 2 Asylgesetz wie das Wort „Antrag“ in Art 15 Abs 2 Verfahrensrichtlinie auszulegen. Folglich wäre der Asylgerichtshof verpflichtet gewesen, dem Antragssteller auf dessen Antrag einen Rechtsberater zur Vertretung im Verfahren vor dem Asylgerichtshof beizugeben bzw. über seinen Antrag zumindest inhaltlich abzusprechen. Ebenfalls aufgrund des Erfordernisses der richtlinienkonformen Interpretation sei die Formulierung „in Verfahren“ in § 66 Abs 2 Z 3 Asylgesetz als „für Verfahren“ zu verstehen, d.h., dass die Beratung bzw. Vertretung durch den Rechtsberater bereits für die Einbringung der Beschwerde an den Asylgerichtshof selbst gilt und der Antrag vor oder am Beginn des Verfahren zu stellen sei.
Schließlich führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Entscheidung über einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters durch eine gesondert mit einem Rechtsmittel bekämpfbare Entscheidung erfolgen müsse und nicht erst mit der das Asylverfahren abschließenden oder durch eine nicht gesondert bekämpfbare Entscheidung.
Im Anlassfall wäre der Asylgerichtshof daher verpflichtet gewesen, den Antrag auf Beigebung eines Rechtsberaters nicht zurückzuweisen, sondern in Form einer gesondert mit einem Rechtsmittel bekämpfbaren Entscheidung inhaltlich darüber abzusprechen.
Indem der Asylgerichtshof dies nicht getan hat, wurde der Antragssteller in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt und die Erkenntnis war aufzuheben.
Der Beschwerde wurde stattgegeben und die angefochtene Entscheidung des Asylgerichtshofes aufgehoben.
Für Verfahren vor dem Asylgerichtshof existiert keine Prozesskostenhilfe (im Sinne der kostenlosen Beigebung eines/-r Rechtsanwaltes/-anwältin). Bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 03.11.2009, U556/09, hatte der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Asylgerichtshof aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben (insbesondere aus der Verfahrensrichtlinie) zu Unrecht einen Antrag auf „kostenlose Rechtsvertretung“ ausschließlich als einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gedeutet hat.
Das gegenständliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bewirkte zunächst eine sofortige Änderung der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Praxis des Asylgerichtshofs. AntragsstellerInnen wurden bei entsprechenden Anträgen per Beschluss namentlich RechtsberaterInnen zugesprochen.
Es folgte eine Gesetzesänderung (BGBl Nr 38/2011, in Kraft seit 01.10.2011) und eine Ausschreibung zur Vergabe der Rechtsberatung an externe Organisationen. Nach derzeitiger Rechtslage (Stand 31.03.2013) wird AsylwerberInnen mit ihrem (zumindest teilweise) abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes schriftlich bekannt gegeben, welche der beiden vom Innenministerium vertraglich beauftragten Organisationen dafür zuständig ist, sie beim Einbringen der Beschwerde und im Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof zu „unterstützen und [zu] beraten“. Die früher in dieser Bestimmung enthaltene Formulierung „auf Verlangen … zu vertreten“ entfiel.
Umfang und Auffassung von Rechtsberatung (und -vertretung) der beiden mit der Rechtsberatung betrauten Organisationen divergieren Berichten von Betroffenen zufolge. Kritiker bemängeln u.a. die Unterfinanzierung und die teils daraus folgende mangelnde Qualität der angebotenen Rechtsberatung sowie die mangelnde Vertretung.
Siehe zu diesem Thema auch die Fallzusammenfassung von VfGH 15.06.2012, G41/12.
D13 402762-1/2008/10E (Ausgangsverfahren beim Asylgerichtshof)
VfSlg. 15.482/1999
CJEU - C-106/89 Marleasing SA v La Comercial Internacional de Alimentacion SA
CJEU - C-91/92, Paola Faccini Dori v Recreb Srl.
VfGH, 25 June 2009, U561/09
VfGH, 3 September 2009, U556/09-13
VfSlg. 16.573/2002
VfSlg. 9538/1982
VfSlg. 8628/1979
VfSlg. 15.218/1998
VfSlg. 15.354/1998
VfSlg. 16.737/2002
VfSlg. 16.079/2001
VfSlg. 15.858/2000
VfSlg. 16.717/2002
VfSlg. 9423/1982
VfSlg. 16.298/2001
VfSlg. 16.066/2001
VfSlg. 15.738/2000
VfSlg. 15.372/1998
VfSlg. 13.435/1993
VfSlg. 12.088/1989
VfSlg. 12.044/1989
VfSlg. 14.413/1996
VfSlg. 13.433/1993
VfSlg. 13.289/1992
VfSlg. 11.764/1988
VfSlg. 10.576/1985
VfSlg. 9771/1983
CJEU - C-14/83 Von Colson and Kamann v Land Nordrhein-Westfalen