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Home ›Österreich - Asylgerichtshof, 29 Januar 2013, E1 432053-1/2013
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Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2005 - § 3
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2005 - § 8
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2005 - § 41
Einer Transgender-Frau aus Pakistan wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt, da Diskriminierung aus asylrelevanten Motiven sowie unfreiwillige Prostitution zur Existenzsicherung ausreichend intensiv sind, um Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzustellen.
Die Antragstellerin beantragte 2012 in Österreich internationalen Schutz. Sie gab an, Pakistan verlassen zu haben, da sie eine sogenannte "Hijra" sei. Sie sei als Junge geboren worden, hatte jedoch seit dem neunten Lebensjahr "Tendenzen, eine Frau zu sein", weswegen sie im Alter von elf Jahren von ihrer Familie verstoßen wurde. Sie lebte seither an unterschiedlichen Orten, wo sie gemeinsam mit anderen Transgender-Personen als Tänzerin und Prostituierte arbeitete, da sie keine anderen Erwerbsmöglichkeiten hatte. Sie wurde diskriminiert, beschimpft, beleidigt, gemieden und ausgelacht. Die Polizei sei immer wieder in ihre Unterkunft gekommen und hätte ihr Geld weggenommen. Nachdem eine ihr bekannte andere Trans-Frau geheiratet habe, sei die Lage noch schlechter geworden, da dies publik geworden und bei den Paschtunen verboten sei. Eine befreundete Trans-Frau sei in Folge dessen von den Taliban getötet worden. Um all dem zu entkommen und aus Angst um ihr Leben, welches in Pakistan keinen Wert habe, habe sie schließlich das Land verlassen.
Die Antragstellerin hatte keine geschlechtsangleichenden Operationen hinter sich. Sie wurde aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes und ihrer Lebensweise als Frau im Asylverfahren als weibliche Person geführt, womit sich die Antragstellerin als einverstanden erklärte.
Das Bundesasylamt erkannte der Antragstellerin den Status als subsidiär Schutzberechtigte zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass das Vorbringen zwar glaubhaft sei und grundsätzlich unter einen Konventionsgrund (soziale Gruppe) zu subsumieren sei; jedoch handle es sich nicht um eine derart intensive oder systematische Diskriminierung, die für eine Gewährung des Konventionsstatus Voraussetzung sei. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, aus denen hervor gehe, dass in Pakistan Homosexualität bzw. Transsexualität zwar offiziell gesellschaftlich nicht akzeptiert, aber im privaten Bereich toleriert werde. Es bestehe zwar eine Strafbarkeit von nachgewiesenem, sogenannten "unnatürlichen" Geschlechtsverkehr, diese Bestimmung komme aber nie zur Anwendung. Darüber hinaus stehe Transsexuellen von Seiten des Staates (in einer äußerst modernen und liberalen, ja den Regelungen der europäischen Staaten übertreffenden Ansatzpunkt) eine eigene Geschlechterzuordnung ("Hijra") zu und könne somit diese Strafbestimmung nicht zur Anwendung kommen. Im November und Dezember 2009 habe das Verfassungsgericht durch entsprechende Direktiven an die Regierung die rechtliche Stellung von Transsexuellen, u.a. im Bereich des Erb- und Arbeitsrechts gestärkt. Andere Direktiven an die Bundes- und Provinzregierungen hätten den Schutz vor Verfolgung sowie das Recht auf Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung und Erziehung betroffen.
Aufgrund ihrer persönlichen Umstände, nämlich die Verstoßung durch die Familie und ihre bisherige Erwerbstätigkeit, wäre eine Rückkehr nach Pakistan trotzdem nicht zumutbar. Da ihr lediglich die unfreiwillige Prostitution offenstehe, die an sich durchaus einen intensiven Eingriff in die körperliche (und seelische) Integrität darstelle, der einer ernstlichen und erheblichen, intensiven und unzumutbaren erniedrigenden Behandlung gleichkomme, wurde der Status als subsidiär Schutzberechtigte zuerkannt.
Gegen die Nichtgewährung des Flüchtlingsstatus erhob die Antragstellerin Beschwerde an den Asylgerichtshof.
Der Asylgerichtshof verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, da der maßgebliche Sachverhalt bereits durch das Bundesasylamt ermittelt wurde.
Der Asylgerichtshof führte unter Bezugnahme auf die Länderberichte aus, dass die von der Antragstellerin berichtete Diskriminierung einen Asylgrund darstelle. Das Bundesasylamt habe im angefochtenen Bescheid angeführt, dass die unfreiwillige Prostitution die einzige Möglichkeit wäre, ihren Lebensunterhalt zu sichern und dies einen Eingriff in Art 3 EMRK darstelle. Bereits Benachteiligungen im sozialen, wirtschaftlichen oder religiösen Bereich können, sofern sie aus asylrelevanten Motiven erfolgen, für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft dann ausreichend sein, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen.
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall gegeben, weswegen der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen war.
Der Beschwerde wurde stattgegeben und der Antragstellerin der Flüchtlingsstatus zuerkannt.
Weitere Entscheidungen zu Transgender-Personen:
UBAS 24.10.2002, 215.214/0-VIII/22/02 (Irak)
UBAS 10.05.2004, 240.479/0-VIII/22/03 (Georgien)
UBAS 28.03.2006, 244.745/0-VIII/22/03 (Iran)
AsylGH 28.12.2009, S13 409.528-1/2009 (Ecuador; Dublin-Verfahren Deutschland)
AsylGH 24.02.2011, A4 213.316-0/2008 (Ägypten)
Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Pakistan: Situation von Hijras, Auskunft der Länderanalyse, vom 14.05.2012
Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011
Human Rights Commission of Pakistan: State of Human Rights in 2011, März 2012
Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: März 2012
Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012
Schweizerische Flüchtlingshilfe: Auskunft der SFH - Länderanalyse, Pakistan: Justizsystem und Haftbedingungen, 5.5.2010
United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012
US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8.4.2011
Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012
VwGH 25 Januar 2001, 2001/20/0011
VwGH 13 November 2008, 2006/01/0191
VwGH 19 Oktober 2006, 2006/19/0297
VwGH 15 März 2001, 99/20/0134
VwGH 15 März 2001, 99/20/0036
VwGH 24 März 1999, 98/01/0352
VwGH 17 Oktober 2006, 2006/20/0120
VwGH 20 September 2004, 2001/20/0430
VwGH 22 März 2000, 99/01/0256
VwGH 17 September 2003, 2001/20/0177
VwGH 21 Dezember 2000, 2000/01/0131
VwGH 12 September 2002, 99/20/0505
VwGH 26 Februar 2002, 99/20/0509
VwGH 21 September 2000, 99/20/0373
VwGH 23 Juli 1999, 99/20/0208
VwGH 27 Juni 1995, 94/20/0836
VwGH 28 März 1995, 95/19/0041
VwGH, 19 Oktober 2000, Zl. 98/20/0233
VwGH 22 Dezember 1999, 99/01/0334
VwGH 9 November 2004, 2003/01/0534