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Home ›Österreich - Arbeits- und Sozialgericht (ASG), Wien, 17 April 2013, 24 Cgs 242/12x-17
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European Union Law > EN - Qualification Directive, Directive 2004/83/EC of 29 April 2004 > Art 29
European Union Law > EN - Qualification Directive, Directive 2004/83/EC of 29 April 2004 > Art 38
Austria - Basic Services Agreement
Austria - Federal Care Allowance Act
Austria - Vienna Care Allowance Act
Austria - Family Allowance Act
Austria - Asylgesetz (Asylum Act) 2005 - § 8


Unter Hinweis auf die direkte Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie (Artikel 28, 29, Erwägungsgrund 34) spricht das Arbeits- und Sozialgericht Wien aus, dass die Verweigerung des Pflegegeldes für subsidiär Schutzberechtigte nicht zulässig ist. Die subsidiär Schutzberechtigten (mindestens) zu gewährenden Kernleistungen würden zumindest die Unterstützung bei Krankheit umfassen, wobei nach Gemeinschaftsrecht das österreichische Pflegegeld eine solche Unterstützung bei Krankheit darstelle.
Der minderjährige Antragssteller war subsidiär Schutzberechtigter in Österreich. Aufgrund einer Musekdystrophie ist er schwer behindert, weswegen er umfassender Unterstützung bedarf. Er (bzw. sein Vater) beantragte daher Pflegegeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 30.10.2012 abgelehnt. Dagegen erhob der Antragssteller Klage beim Arbeits- und Sozialgericht und führte begründend aus, sein Anspruch auf Pflegegeld ergebe sich dem Grunde nach direkt aus Artikel 29 der unmittelbar anwendbaren Qualifikationsrichtlinie. Beim Pflegegeld handle es sich unionsrechtlich um eine Leistung bei Krankheit, und keine Sozialhilfeleistung, weswegen er als subsidiär Schutzberechtigter einen Pflegegeldanspruch gleich einem österreichischer Staatsbürger habe.
Die beklagte Partei wandte ein, dass subsidiär Schutzberechtigten kein Anspruch auf Pflegegeld zukäme, da sie nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht besäßen und diese Personengruppe im Bundespflegegeldgesetzausdrücklich vom Anspruch ausgeschlossen sei.
Das Arbeits- und Sozialgericht gab der Klage statt.
Subsidiär Schutzberechtigen komme für die Dauer ihres gewöhnlichen Aufenthaltes in Österreich ein Anspruch auf Pflegegeld zu. Der Antragssteller könne sich mit diesem Anspruch unmittelbar auf die Qualifikationsrichtlinie stützen, da die Umsetzungsfrist bereits seit langem abgelaufen sei, sich mit der ausreichenden Bestimmtheit ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern ableiten lasse und somit die fragliche Bestimmung im Bundespflegegeldgesetz (§ 3a Abs 2) nur unzureichend umgesetzt sei. Die Mitgliedstaaten seien nach Artikel 28 der Qualifikationsrichtlinie dazu verpflichtet, (u. a.) subsidiär Schutzberechtigten die „notwendige Sozialhilfe“ zukommen zu lassen, wie sie auch die Staatsangehörigen des Mitgliedsstaates erhalten. Diese Verpflichtung könne betreffend subsidiär Schutzberechtigter auf Kernleistungen beschränkt werden. Nach Artikel 29 Qualifikationsrichtlinie seien die Mitgliedsstaaten verpflichtet, subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen der Kernleistungen jedenfalls „Zugang zu medizinischer Versorgung“ zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen zu gewähren. Insbesondere bei subsidiär Schutzberechtigten mit besonderen Bedürfnissen wie Menschen mit Behinderungen sei eine solche Gleichstellung mit Staatsangehörigen in Hinblick auf „eine angemessene medizinische Versorgung“ vorgesehen. Nach Erwägungsgrund 34 sei der Begriff „Kernleistung“ in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass davon zumindest (u.a.) die Unterstützung bei Krankheit erfasst sei. In der Rechtsprechung sei bereits geklärt, dass das österreichische Pflegegeld eine Leistung bei Krankheit im Sinne der des Gemeinschaftsrechts sei. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien gelangte zu dem eindeutigen Ergebnis, dass auch das Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz zu jenen Kernleistungen gehöre, auf die der Antragssteller als subsidiär Schutzberechtigter jedenfalls im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie ein österreichischer Staatsbürger Anspruch habe.
Der Klage wurde stattgegeben und ausgesprochen, dass die beklagte Partei dem Antragssteller monatlich € 1.200,- an Pflegegeld auszubezahlen hat.
Erklärung österreichisches Pflegegeld: monatliche finanzielle Zuwendung zur Abdeckung erhöhter Kosten für pflegebedürfte Menschen.
Auch das Oberlandesgericht Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen vertrat im Urteil 10 Rs 37/13d vom 29.07.2013 die Ansicht, dass subsidiär Schutzberechtige auf Grundlage der Qualifikationsrichtlinie Anspruch auf Pflegegeld haben.
(anders noch als in OLG Wien 26.02.2013, 10 Rs 16/13s, dieses Verfahren ist beim Obersten Gerichtshof anhängig).
Stellungnahme Greifeneder/Liebhaft, Pflegegeld, 3. Auflage, 2013
Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage, Art 3 VO (EG) Nr 883/2004
CJEU - C-286/03 Silvia Hosse v Land Salzburg (Federal State of Salzburg)
CJEU - C-215/99, Friedrich Jauch v Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (Workers‘ pension insurance body)
Austria - RS0113278 [T1]
Austria - RS0119596
Austria - RS0111915
Austria - RS0111214 [T4]
Austria - RS0111918
Austria - RS0111917
Austria - Administrative Court (VwGH), 2008/10/0309
Austria - Labour and Social Court (ASG) Vienna, 17 Cgs 115/12v