Für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt nach § 60 (7) (2) Aufenthaltsgesetz/Art. 15 (c) Qualifikationsrichtlinie bedarf es nicht nur der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos. Erforderlich ist eine wertende Gesamtbetrachtung, die auch die medizinische Versorgungslage würdigt. Diese Frage ist für die vorliegende Entscheidung aber nicht erheblich, da für den Kläger nur ein geringes Risiko eines Schadens besteht.
Der Kläger ist kurdischer Volkszugehörigkeit und stammt aus Mosul. Er reiste im Jahr 2001 - vor dem Sturz Saddam Husseins - nach Deutschland einreiste und als Flüchtling anerkannt wurde. 2006 widerriefen die Behörden aufgrund des Wegfalls der Umstände, die zur Anerkennung geführt hatten, die Flüchtlingsanerkennung. Das Verwaltungsgericht Augsburg und der Verwaltungsgerichtshof Bayern wiesen die Klage bzw. die Berufung des Klägers ab. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung von Fragen im Zusammenhang mit der Definition von § 60 (7) (2) Aufenthaltsgesetz/Art. 15 (c) Qualifikationsrichtlinie zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass der Verwaltungsgerichtshof zu hohe Anforderungen an die Definition eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gestellt hatte und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Bayern zurück (24. Juni 2008, Entscheidung weitgehend identisch mit Bundesverwaltungsgericht, 24. Juni 2008, 10 C 43.07, Germany010, asyl.net, M13877).
Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung erneut zurück und begründete dies damit, dass die Gefahrendichte nicht so hoch sei, dass die Annahme gerechtfertigt sei, jede Zivilperson sei einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt. Die statistische Wahrscheinlichkeit, durch einen Anschlag verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 nur 0,12 % betragen. Der Kläger beantragte erneut die Revision, da der Verwaltungsgerichtshof den Begriff der Verfolgungsdichte im Zusammenhang mit Gruppenverfolgung fälschlicherweise auf die Bewertung extremer Gefahrenlagen übertragen habe, ohne die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Außerdem seien die Quellen zur Häufigkeit der Anschläge nicht richtig bewertet worden.
Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht für die Feststellung von Abschiebungsschutz auch dann ein Rechtsschutzinteresse, wenn der Kläger bereits ein Aufenthaltsrecht (hier: Niederlassungserlaubnis) besitzt. Denn im deutschen Recht besteht insofern ein Umsetzungsdefizit, als es den Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit entsprechenden Vergünstigungen nicht explizit ausgeformt hat. Hieraus darf dem Kläger aber kein Nachteil entstehen.
Die Revision ist jedoch unbegründet. Weder liegen gefahrerhöhende individuelle Umstände vor, noch ist der Gefahrengrad so hoch, dass jede Zivilperson erheblich gefährdet wäre. Die entsprechenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts wie auch die Anlehnung an die Prüfung einer Gruppenverfolgung sind nicht zu beantstanden. Zwar hat es das Berufungsgericht versäumt, bei der Prüfung der erforderlichen Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese wertende Gesamtbetrachtung muss neben der quantitativen Auswertung der Quellen hinsichtlich der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schäden auch die medizinische Versorgungslage und damit die Erreichbarkeit medizinischer Hilfe berücksichtigen. Angesichts des geringen (Verletzungs-) Risikos für den Kläger wirkt sich dies jedoch vorliegend nicht auf das Ergebnis aus.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Nicht bekannt (aber de Kläger hat eine Niederlassungserlaubnis)